Preisverleihung „Die besten Geschichten aus der Lausitz“

Die Preisträger
Gruppenbild mit Staatssekretär: Die Preisträger und Juroren zusammen mit dem Potsdamer Gratulant Hendrik Fischer (4. v.h.l) vor dem IBA-Studierhaus; Foto: Detlef A. Hecht

Endlich war es so weit: Am 26. Mai wurden die besten Geschichten aus der Lausitz ausgezeichnet. Neun Erzählungen – stellvertretend für die Fülle an großen und kleinen Geschichten, denen wir in den vergangenen zehn Monaten in zahlreichen Erzählsalons lauschten, und die wir für unsere Broschüren aufschreiben durften – autorisiert von den Erzählern.

Die Jurysitzung am Vormittag

Da wollen wir bessere Entwicklungen organisieren und reiben, Anstoß nehmen und dann auch miteinander nach Lösungen schauen. Das ist das Kennzeichen dieser Geschichte
Auslese am Morgen: Zwei Stunden brüteten die Juroren über der finalen Auswahl; Foto: Sebastian Bertram

Entspannt und gut gelaunt begann der große Tag: Die Jury, besetzt mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Regionalmanagement, traf sich um 10 Uhr im IBA-Studierhaus. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde stellten die sechs Juroren ihre Favoriten vor. In die finale Auswahl waren 45 von 120 verschriftlichten Erzählungen gekommen – 26 Einzelgeschichten und 19 Kollektivgeschichten. In beiden Kategorien wurden die drei herausragendsten Geschichten gesucht.

Jurysitzung_Lausitz-Geschichten1
Tisch voller Geschichten: Den Jury-Teilnehmern fiel die Entscheidung nicht leicht; Foto: Sebastian Bertram

Die Anwesenden hörten die flammenden Argumente ihrer Mitjuroren genauso gespannt wie wir und ließen sich das eine oder andere Mal mitreißen.
Die durch die sehr gut vorbereiteten Juroren gelieferte Außenperspektive ließ viele Geschichten auch für uns in einem ganz neuen Licht erscheinen.
Die Perspektiven der einzelnen Juroren auf das Gelesene stellte sich in einigen Fällen als recht unterschiedlich heraus – wohingegen in anderen Fällen doch Einigkeit herrschte. Die Jury zeigte sich im Ganzen durch die Qualität, Komplexität und Freimütigkeit der Geschichten beeindruckt.

Feierliche Preisverleihung durch den Staatssekretär Hendrik Fischer

Gespannte Gäste im IBA-Studierhaus
Gebannte Stimmung: Rund 70 Gäste waren zur Preisverleihung ins IBA-Studierhaus gekommen; Foto: Detlef A. Hecht

Die Jurymitglieder waren kaum zu ihren Entscheidungen gelangt, da füllte sich schon das IBA-Studierhaus mit Spannung und Menschen. Für uns hieß das: Telefonieren. Denn einige der nun feststehenden Gewinner hatten sich trotz der fast 70 erwarteten Gäste nicht angemeldet. Keine leichte Aufgabe, wollten wir doch noch nicht verraten, dass sie gewonnen hatten. Es gelang uns glücklicherweise bei fast allen – so holten wir Carola Meißner aus dem wohlverdienten Urlaub.

Preisverleihung_begrueßung_kuhn
Ex-IBA-Chef und „Hausherr“ Prof. Rolf Kuhn; Foto: Detlef A. Hecht

Die Veranstaltung begann mit einer kurzen Einführung und Beschreibung des Projektes durch Prof. Rolf Kuhn. Seine wohlmeinenden Worte setzten unsere Anstrengungen in einen landschaftlichen Rahmen und stellten einen Bezug zur IBA und deren hehres Ziel her, die Lausitz zu einem lebenswerten Ort für Alteingesessene und (potenzielle) Neuzugezogene zu machen.

Preisverleihung_staatssekretaer-fischer-grusswort
Hendrik Fischer, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg; Foto: Detlef A. Hecht

Nach dem Vorsitzenden des „IBA-Studierhaus Lausitzer Seenland e.V.“ richtete Hendrik Fischer, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg, das Wort an die Gäste. Er ließ es sich nicht nehmen, auf ein staatstragendes Grußwort zu verzichten und in einer autobiographischen Erzählung die Innovationskraft der Lausitzer zu betonen und seiner Bewunderung für selbige Ausdruck zu verleihen.

Im Anschluss an das Grußwort resümierten Projektleiterin Katrin Rohnstock und Supervisorin Karin Denisow, was gemeinschaftliches Erzählen in der Region bewirken kann. Dabei wurde die Unterschiedlichkeit der einzelnen Projektstandorte ergründet.

Preisverleihung_gespraech-mit-salonnieren
Die frisch gebackenen Salonniers Christian Benusch (l.) und Peter Gallasch sprechen von ihren Erfahrungen; Foto: Detlef A. Hecht

Abschließend baten wir zwei der von uns frisch ausgebildeten Salonniers auf die Bühne: Peter Gallasch und Christian Benusch. Sie sprachen darüber, was ihnen die Ausbildung zur Salonnière gebracht hat und wie es ist, einen Erzählsalon zu leiten. Sie berichteten über die von uns vermittelte Kulturtechnik und ihre weiteren Pläne mit dem Erzählsalon. Denn, das ist unser großer Wunsch: Es soll weitergehen mit dem kollektiven Erzählen in der Lausitz!

Nach einer kleinen Umbaupause stand der spannendste und feierlichste Teil des Nachmittags an: Die Preisverleihung. Nach und nach wurden in den beiden Kategorien die jeweils drei besten Erzählungen ausgezeichnet, vom Drittplatzierten zum Erstplatzierten – bei den „Einzelgeschichten“ die Erzähler, bei den „Kollektivgeschichten“ ausgewählte Vertreter der Orte, in denen die Geschichten erzählt wurden.

Die Laudationen übernahmen die am Vormittag aktiven Jurymitglieder. Die Laudatoren und der Staatssekretär Hendrik Fischer gefolgt von Katrin Rohnstock gratulierten allen Preisträgern herzlich und überreichten ihnen einen gläsernen Pokal.

In der Kategorie „Einzelgeschichte“ wurden ausgezeichnet:

Der 1. Preis ging an Marian Freigang (37) aus Lauchhammer mit seiner Geschichte „Krasse Jugend“. Leider war er verhindert. Stellvertretend nahm Dr. Konrad Wilhelm, (64), Vorsitzender vom Traditionsverein Braunkohle, den Pokal entgegen.

Preisverleihung_Laudatio_Birgit-woellert
Birgit Wöllert (DIE LINKE), Abgeordnete im Deutschen Bundestag hält die Sieger-Laudatio; Foto: Detlef A. Hecht

Birgit Wöllert: „Als jemand, der sich ständig durchsetzen musste, weil junge Leute Räume brauchen für ihre Musik, ihre Diskussionen, um solidarisch mit anderen zu sein, gibt Marian Freigang mit seiner Geschichte auch an noch Jüngere etwas weiter. Nämlich die Botschaft: Tut was für eure eigenen Interessen! Setzt euch ein für eure Ideale und seid hartnäckig und nicht unbedingt immer angepasst. So könnt ihr für euch selbst und für andere auch etwas erreichen. Vielen Dank für die wunderschöne Erzählung.“

Der 2. Preis ging an eine Geschichte aus Geierswalde: Ingrid Radlocha (71) mit „Leben mit der Grube“.

Preisverleihung_Laudatio_Kockert
Petra Kockert (CDU), ehem. Landrätin des sächsischen Landkreises Kamenz; Foto: Detlef A. Hecht

Petra Kockert: „Leben mit der ausgekohlten Grube. Der lange Weg bis zur Nutzung des Geierswalder Sees, Sie immer an der Seite Ihres Mannes. Es war ein harter, steiniger Weg, aber es hat sich gelohnt. Es ist etwas Großes entstanden. Der Geierswalder See – ein wunderschöner Teil des Lausitzer Seenlandes. Ihr Mann war der Macher, immer vorneweg, Sie haben alles getragen, ertragen, und haben mit Ihrer wunderschönen Geschichte gezeigt, wozu starke Frauen fähig sind.

Preisverleihung_glueckwuensche-ingrid-radochla
Platz für jede Menge Geschichten: Die Zweitplatzierte Ingrid Radochla aus Geierswalde erhält von Projektleiterin Katrin Rohnstock ein in Leder gebundenes Notizbuch; Foto: Detlef A. Hecht

Frau Ingrid Radochla, Sie haben nicht nur die Herausforderung angenommen, Sie haben mitgestaltet. Dabei niemals vordergründig; Sie haben mit Ihrer Geschichte stellvertretend für viele Geierswalder – Zugezogene und Einheimische – Vergangenheit gelebt und Zukunft mitgestaltet. „Was du erlebst von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!“ Und ich füge hinzu: Und schreibe deine Geschichte, damit auch die Nachfahren wissen, was war. Danke, Frau Radochla, für die wunderbare Geschichte.“

Der 3. Preis ging an eine Geschichte aus Plessa: Carola Meißner (60) mit „Der Kulturverein“.

Preisverleihung_glueckwuensche-carola-meissner
Blumen vom Staatssekretär: Hendrik Fischer beglückwünscht Carola Meißner aus Plessa zum 3. Platz „Einzelgeschichten“; Foto: Detlef A. Hecht

Dr. Christina Eisenberg: „In dieser Geschichte geht es nicht nur um das Bewahren von Kultur, sondern um das Schaffen von Neuem. In Plessa, in diesem Kulturhaus, wird Leben eingehaucht. Der Kreativmarkt, der durch eine Idee geboren wurde, ist eine Belebung des Ortes. Und es für mich ganz besonders wichtig gewesen: Wir sehen hier, dass die Einbindung von vielen Akteuren etwas zustande bringt. Denn angefangen hat dieser Kreativmarkt ganz klein, mit ein paar Baustellenzäunen. Und jetzt ist das ganze Kulturhaus voll.“

Die Gewinner erhielten ein in Leder gebundenes Notizbuch – welches eine Menge Platz für viele weitere Geschichten bereithält.

In der Kategorie Kollektivgeschichte wurden ausgezeichnet: 

Plessa mit dem 1. Preis – für gleich zwei Kollektivgeschichten: „Ein Haus für die Kultur“ und „Was ich mit dem Kraftwerk erlebte“.

Preisverleihung_auszeichnung-plessa
Lachende Sieger: Projektleiterin Katrin Rohnstock gratuliert dem Plessaer Ehepaar Wolfgang und Christine Alkier, stellvertretend für dessen Ort; Foto: Detlef A. Hecht

Prof. Rolf Kuhn erklärte das Zusammengehören der beiden Geschichten in seiner Laudatio so: „Die beiden Geschichten – nacheinander gelesen – zeigen auf treffende Weise das Spektrum des Ortes. Sehr viele Leute waren an der Gemeinschaftserzählung beteiligt. Ich habe beim Lesen neue Sichtweisen erfahren. Die Geschichten bringen zum Ausdruck: Man muss Kulturhaus und Kraftwerk nicht als Gegensatz empfinden. Viele Plessaer wollen beides. Sie sehen nicht nur die Sorgen, sondern auch das Geschenk für die Zukunft.“

Geierswalde mit dem 2. Preis: „Alteingesessene, Zugezogene und Touristen – wie wollen wir miteinander leben?“.

Preisverleihung_Auszeichnung-geierswalde
Staatssekretär Hendrik Fischer beglückwünscht Rosemarie Bredemann als Vertreterin von Geierswalde zum 2. Platz „Kollektivgeschichten“; Foto: Detlef A. Hecht

Jens Bröker: „Wie wollen wir miteinander leben? Das ist eine große Herausforderung, die in dieser Geschichte ein lebendiges Bild entwirft, unterschiedlichster Perspektiven und unterschiedlichster Probleme und Wertungen. Die aber allesamt eine Verbundenheit ausdrücken mit dem Ort, die sehr spürbar wird. Und diese Verbundenheit der Beteiligten sagt: Wir wollen Zukunft! Ob Zugereiste oder – ich darf das so sagen – Eingeborene. Was sie verbindet, ist die Liebe zu Geierswalde. Und uns in der Jury klar war: Was wir kritisieren, womit wir uns auseinandersetzen, das ist uns nicht egal, da kümmern wir uns drum. Da wollen wir bessere Entwicklungen organisieren und reiben, Anstoß nehmen und dann auch miteinander nach Lösungen schauen. Das ist das Kennzeichen dieser Geschichte.“

Lauchhammer mit dem 3. Preis: „In Lauchhammer spielt die Musik“.

Preisverleihung_auszeichnung
Ausgezeichneter Dritter: Jörg Hertel (rechts) vom Traditionsverein Lauchhammer nimmt den Pokal stellvertretend für seinen Ort in Empfang, neben ihm Gratulant Jens Bröker (indeland-Geschäftsführer); Foto: Detlef A. Hecht

Jens Bröker: „Punk, Gothic, Darkwave. Meine Damen und Herren, wenn Sie diese Begriffe hören, denken Sie, glaube ich, nicht so leicht an die Lausitz, schon gar nicht an Lauchhammer, sondern möglicherweise an Hamburg, Berlin oder New York. Insofern ist das schon mal ein recht schrilles, ein recht freches Ausrufezeichen, das uns diese Geschichte zeigt. Ein Perspektivwechsel, der deutlich macht, dass hier in Lauchhammer nicht nur Folklore – so wertvoll sie auch ist – eine Rolle spielt, sondern auch junge, schräge Musik, die den Zeitgeist erfahrbar macht.

Musik ist eine universelle Weltsprache, die Grenzen überschreiten kann, und das wird in der Geschichte deutlich. Ob es im Kontakt zu den Älteren in Lauchhammer ist, die Buntrock und die anderen pflegen oder zu den Flüchtlingen, die über die Musik auch einen Zugang gefunden haben in den Ort. – Mach dein ding, da wo du bist. Man muss nicht in New York sein, um gute Musik zu machen.“

Ausgezeichnete Geschichten

Preisverleihung_klatschendes
Jens Bröker, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH in NRW; Foto: Detlef A. Hecht

Die drei Gewinner-Orte erhalten jeweils einen großen ovalen Holztisch, um den sich Erzählsalons mit bis zu 12 Personen gruppieren können. Diese werden von einem Lausitzer Tischler aus alten Dielen gezimmert und am 22. September 2016 – zur Premiere des Lausitz-Buches – offiziell übergeben.

Da die Siegertreppchen bekanntlich nur drei Stufen haben, das Projekt aber an fünf Standorten ausgezeichnete Geschichten zutage gefördert hat, wurden für zwei weitere Erzählungen Urkunden verliehen: Für die Geschichte „Vom Polstern und der Politik“ der Geschwister Christina und Ilona Nicklisch aus Marga sowie für die Kollektivgeschichte „Sedlitzer Sausen“.

Wir möchten an dieser Stelle noch einmal betonen, dass nicht nur die 7 bzw. 9 ausgezeichneten Geschichten, sondern alle erzählten Geschichten großartige Zeugnisse des Lebens in der Lausitz sind. Wir bedanken uns für das uns entgegengebrachte Vertrauen.