Überraschende Begegnung im Erzählsalon Sedlitz

Sedlitz an einen Tisch im November 2015
Foto: Detlef A. Hecht

Überraschend beehrten den vierten Erzählsalon, der letzte Woche in Sedlitz stattfand, zehn ältere Damen des Demokratischen Frauenbundes. Die Chefin war vom Ortsvorsteher eingeladen worden; da beschloss der Club gemeinsam in die Gaststube „Colorado“ zum Erzählsalon zu kommen. Die Idee des Projektes Lausitz an einen Tisch“, das an 5 verschiedenen Orten in der Lausitz stattfindet, Menschen einzuladen, die Geschichten, die sie erlebt haben, zu erzählen und gemeinsam zu hören und so die Potentiale zu entdecken, die im Dorf schlummern. Außerdem kamen sechs Stamm-Erzähler aus dem Dorf ins „Colorado“, das uns mit Schnitzel und Bratkartoffeln vorzüglich bewirtete.

Zu unserer großen Überraschung und noch größeren Freude spazierten sechs junge Männer aus dem benachbarten Übergangswohnheim herein. Die Leiterin, Frau Bartowiak hatte sich offen für das Projekt gezeigt: „Wir freuen uns, wenn es Projekte gibt, die die Flüchtlinge mit einbinden. Die meisten wünschen sich Kontakt zu den Einheimischen. Das Warten frisst die Leute ja auf.“ Das Projektteam hatte das Heim mit großem Interesse besichtigt.

Der Sedlitzer Erzählsalon am 18.November 2015
Foto: Detlef A. Hecht

So setzten sich an diesem Abend insgesamt 25 Gäste an den Sedlitz-Tisch.
Das Thema „Freizeit in Sedlitz“ stand auf dem Plan. Was ist „Freizeit“? –  fragte zunächst Herr Kaiser. Es ist die Zeit jenseits der Arbeitszeit, ohne Verpflichtungen. Die hat für Rentnerinnen und Rentner eine andere Bedeutung als für Berufstätige. Viele Sedlitzer erzählten über Freizeiterlebnisse in der Gemeinschaft: der Gemeinschaft der Familie – einmal im Jahr nach Hamburg -, der Freunde und in den vielfältigen Vereinen. Sie erzählten, wie wichtig die Feste sind, ob Karneval oder Weihnachtsmarkt. Am schönsten sind Feste, wenn kleine Kinder dabei sind. Die sind jedoch rar in Sedlitz, denn die nachfolgende Generation mit ihren Kindern ist ausgewandert.  Die Omas leben ohne Enkel.

Erzählsalon in Sedlitz
Foto: Detlef A. Hecht

Vielen Frauen ist wichtig, dass sie sich austauschen können. Dafür bietet der DFB in Sedlitz einen schönen Rahmen – je nach Bedürfnis kann man zum Kaffeetrinken kommen, eine Frau bäckt leckeren Kuchen; schnattert in gemütlicher Runde bei der Handarbeit; spielt seit zwanzig Jahren gemeinsam Billard.

Eine Geschichte aus Sedlitz ist untrennbar verbunden mit dem Flüchtlingswohnheim: die Geschichte der Fußballmannschaft in der Kreisklasse, die ohne die Flüchtlinge nicht nur nicht so erfolgreich sein würde, sondern vielleicht gar nicht mehr existierte. Es sind sogar erfolgreiche Fußballkarrieren vom FC Sedlitz aus gestartet worden.
Eine Frau vom DFB schlug vor, dass die jungen Männer erzählen, wie sie ihre Freizeit in ihrer Heimat verbrachten.

Sedlitz an einen Tisch mit den neuen Bewohnern
Foto: Detlef A. Hecht

Ein junger Syrier, der in seinem Heimatland schon zwei Jahre Medizin studierte, erzählte von seiner Passion Sprungreiten. Er trat bei Turnieren in der arabischen Welt an. Obwohl er sich das erste Mal, als er auf einem Pferd saß, bei dem Versuch, über ein Hindernis zu springen, seine Hand gebrochen hatte – denn das Pferd hielt es nicht für notwendig, das Hindernis zu passieren und überließ ihm diese Aufgabe allein.

Ein anderer junger Mann hatte zwei Jahre Jura in Syrien studiert. Er erzählte mit seinen wenigen Worten Deutsch, dass er in als Maurer gearbeitet hatte. Vielleicht meint er, dass die Familien in diesem Kulturraum miteinander ihre Häuser bauen – alle männlichen Familienmitglieder helfen einander, erst der Cousin beim Vetter, der  Sohn dem Vater, der Onkel neben Neffen?
Die Schilderungen haben uns berührt und führten zu einer ersten Annäherung zwischen den Dorfbewohnern und den Flüchtlingen. Wir haben den Abend genossen und bedanken uns auch herzlich bei Frau Bartkowiak vom Übergangswohnheim, den ehemaligen Ortsvorsteher Wolfgang  Kaiser und den heutigen Ortvorsteher Steffen Phillip.