Lauchhammeraner Geschichten verbinden Generationen

Erzählsalon_Lausitz_Lauchhammer
Foto: Antje Käske

Bananen, Äpfel, Trauben und Kekse: Der lange Tisch im Spielzimmer der Arche war reich gedeckt. Beate Gruhn, Leiterin des Jugendbegegnungszentrums, wollte den Teilnehmern des fünften Lauchhammeraner Erzählsalons den Nachmittag besonders schmackhaft machen. Alt und Jung waren eingeladen, ihre Geschichten zum Thema „Streiche aus meiner Kindheit“ zu erzählen. Zehn Erzählerinnen und Erzähler, geboren zwischen 1935 und 2006, saßen an der Tafel, als Katrin Rohnstock den Salon eröffnete – mit der Schilderung eines eigenen Kinderstreichs.

Lausitzer Erzählsalon Lauchhammer
Foto: Antje Käske

Die Salonnière erzählte, dass sie als Kind heimlich eine neue Pudelmütze aus dem Schrank ihrer Eltern geholt und sie in der Schule angezogen hatte. Eigentlich sollte sie diese erst zu einem späteren Zeitpunkt geschenkt bekommen. An diese Anekdote knüpfte sogleich eine Teilnehmerin an, die sich als Kind einmal selbst um ein Geschenk gebracht hatte: Gemeinsam mit ihren drei Geschwistern habe sie im Schlafzimmer der Eltern die Anrichte mit den darin aufbewahrten Weihnachtsgeschenken geöffnet. Die Kleinen freuten sich noch darüber, dass alle ihre Wünsche erfüllt worden wären. Sie wurden jedoch prompt beim Rumschnüffeln erwischt und gingen zur Strafe leer aus.

Lausitzer Erzählsalon Lauchhammer
Foto: Antje Käske

Nun kamen weitere Kindheitsstreiche auf den Tisch: Zwei Mitarbeiterinnen der Arche wussten von Mundraub zu berichten. Die Gärten seien in ihrer Jugendzeit voll gewesen, fast habe es unter den Kindern zum guten Ton gehört, bei den Nachbarn Obst von den Bäumen und Sträuchern zu stibitzen. Beim Stichwort Apfelklau wurde die Älteste in der Runde hellhörig. Die 81-Jährige ergriff das Wort und gab es so schnell nicht wieder ab. „Man hatte als Kind eigentlich immer ein schlechtes Gewissen“, sagte sie. „Es gab kein Kino, kein Fernsehen, wir haben uns immer draußen bewegt. Manches kam raus, anderes nicht.“ Die Strafen waren Prügel oder Verachtung. „Senge vergeht, Arsch besteht.“ Die Prügel verabreichte ihre Mutter mit dem Teppichklopfer. „Danach war alles wieder gut“, erinnerte sich die alte Dame. Viel schlimmer sei es gewesen, „wenn einen in der Familie alle verachteten. Verachtung bedeutete, dass man die Aufmerksamkeit erst wiedergewinnen musste.“

Von strenger Erziehung konnte ein 1936 geborener Erzähler ebenfalls ein Lied singen: „Disziplin, Gehorsam, Ehrlichkeit mussten eingehalten werden. Entweder gab es Schimpfe oder Prügel.“ Trotzdem hätte er sich einiges getraut. Wenn zu Hause Arbeit zu erledigen war – Kartoffeln oder Kohle holen – sei es sein bester Trick gewesen, sich mit Schulaufgaben oder Geigen-Lernen rauszureden. Während sich die älteren Teilnehmer des Salons beim Erzählen sichtlich wohl fühlten, kämpften die jüngeren mit Anfangsschwierigkeiten. Einige betonten, dass sie zum Thema nichts zu sagen hätten, um schließlich doch mit der Sprache rauszurücken. Aber wie!

Lausitzer Erzählsalon Lauchhammer
Foto: Antje Käske

Eine Auszubildende der Arche erzählte eine Lauchhammeraner Stadtgeschichte, die eine ganze Generation verbindet: Mit 30, 40 anderen Jugendlichen habe sie laue Sommerabende feiernd im Schlosspark verbracht, obwohl das Betreten der Grünanlage ab 20 Uhr verboten war. Ausgestattet mit Bier vom nahen Supermarkt und großen Musikboxen trafen sie sich vor der alten Kinobühne im Park. Die Musik kam aus den Handys der Jugendlichen, jeder konnte sein Telefon anschließen und ein Stück wählen. Es wurde getanzt und getrunken. „Diese Events sprachen sich rum in Lauchhammer“, erinnerte sie sich. „Wenn die Polizei kam, rannten wir schnell weg in den Wald.“

Lausitzer Erzählsalon Lauchhammer
Foto: Antje Käske

Im Lauf des Erzählsalons entsponnen sich weitere Geschichten rund um Jugend- und Freizeitkultur in Lauchhammer – über das frühere Freiluftkino, die Leinwand aus Beton, die einst eine „Weltneuheit“ gewesen sei und die laut einem älteren Erzähler heute „noch repariert werden kann“. Auch die Jüngsten erzählten immer munterer: Ein Junge berichtete davon, wie er zu Hause dem Zimmeraufräumen zu entgehen versuchte, indem er den entsprechenden Aufgabenzettel verschwinden ließ. Erfolgreich sei er dabei jedoch selten gewesen. Die jüngste Teilnehmerin, eine Zehnjährige, erzählte verschmitzt und stolz zugleich, wie sie einmal im Winter mit 14 anderen Mädchen einen Jungen aus ihrer Klasse rausgepickt hatte, um ihn nach der Schule ordentlich einzuseifen.

Lausitzer Erzählsalon Großräschen
Foto: Antje Käske

Allmählich drehten sich die Erinnerungen nicht mehr nur um Streiche, sondern ganz allgemein um Schule und Freizeit. Spätestens als das Thema Musik aufkam, gab ein Wort das andere, und zwar zwischen den Alten und den Jungen. Aus anfänglicher Abgrenzung zwischen den Generationen wurde zugewandtes Erzählen und Zuhören. Ein gutes Zeichen dafür, dass der Lauchhammeraner Erzählsalon wunderbar geeignet ist als Experimentierfeld eines intergenerationellen Dialogs. Wer von den Jüngeren am Anfang noch gehemmt war, erzählte plötzlich witzig und bildreich. Wieder einmal wurde deutlich, dass das Erzählen vor aufmerksam Zuhörern für alle Altersgruppen eine gute Übung ist.

Der nächste Erzählsalon am 22. Februar 2106, 16 Uhr, heißt: „Was wir in Lauchhammer mit Musik machen“. Alle sind herzlich eingeladen, verschiedenste Musikbeispiele vorzustellen. Den Ort der Veranstaltung schlagen uns in Kürze die Mitglieder von Buntrock e.V. vor.