Sedlitzer Sausen

Ausgezeichnete Geschichte im Wettbewerb „Die besten Lausitz-Geschichten“ (Kollektivgeschichte)

Wolfgang Kaiser: Wir in Sedlitz wissen, wie Feste gefeiert werden. Karneval, Polterabende, Sommerfeste – wir lassen nichts aus!

Zum Karneval im Februar fanden sich manchmal zweihundert Leute im Saal des Gasthauses »Lindengarten« ein. Das ist für so ein kleines Dorf beachtlich. Unsere Karnevalsgesellschaft stellt eine Menge auf die Beine.

Klaus Nasdal: Mit dem Programm geben sie sich besondere Mühe. Die Mitglieder bereiten Auftritte vor, zeigen Klassiker aus dem Fernsehen und denken sich Eigenes aus. Egal ob Geigenmusiker oder Sänger, ob Holzfäller oder Holzmichel auf der Bühne stehen, die Stimmung ist spitze. Besonders wenn etwas schief läuft, tobt der Saal. Irgendwer tanzt immer neben der Reihe. Dass sich hier alle kennen, macht die Sache noch lustiger.

Steffen Philipp: Aber nicht immer erkennen sich alle! Einmal warst du mit deiner Frau inkognito unterwegs. Ihr hattet euch so gut verkleidet, dass keiner wusste, wer ihr wart.

Klaus Nasdal: Stimmt. An dem Abend kamen wir zur Hintertür in den »Lindengarten«, an der Bar vorbei in den vollen Saal. Meine Frau Angelika sah aus wie die Mutter der Flodders, die bekannte Familie aus dem Fernsehen. Sie trug eine Kittelschürze und rauchte Zigarre. Ich stand als alter Mann verkleidet neben ihr. Keiner grüßte uns! Erst später kam Schiebelchen vorbei, weil er uns endlich erkannt hatte.

Dietmar Methner: Meine Frau Erika und ich sind dagegen Karnevalsflüchtlinge aus dem Rheinland. Natürlich lachen wir über lustige Erlebnisse, vor allem zur Altweiberfastnacht. Im Großen und Ganzen können wir mit dieser fünften Jahreszeit aber nichts anfangen.

Andere Veranstaltungen im Dorf sagen uns mehr zu. So das Sommerfest der Feuerwehr. 1997 trat ich in die Feuerwehr ein. An eines der ersten Sommerfeste erinnere ich mich besonders gern. Es fand in der Gartensparte statt. Zunächst schien die Sonne, plötzlich fing es an zu schütten. Ein Sauwetter. Wir rannten ins Gartenhäuschen, standen dicht gedrängt im Vorraum und teilten großzügig Kurze aus. Ein lustiger Abend, der mit einer Einladung zu Wolfgang Kaisers Geburtstag endete. Der Beginn einer guten Freundschaft.

Mario Wollscheid: Feiern können wir Sedlitzer! So wollten wir ein Strandfest im Ort veranstalten. Am Stammtisch sprachen wir darüber und machten Pläne.

Steffen Philipp: Mario, Matthias Platta, Matthias Depta, Steffen Schiebel und einige andere treffen sich montags in der Kneipe zum Stammtisch. Da bereden sie jede Menge Phantastereien. Unter anderem entstand die Idee, ein Strandfest zu feiern, noch ehe der See endgültig geflutet, die Böschungen befestigt und der gesamte Strand freigegeben waren.

Mario Wollscheid: Viele Jahre blieb es bei der bloßen Idee. Als mein Kumpel Matthias 2008 erneut damit anfing, sagte ich zu ihm: »Weißt du was, du traust dich doch sowieso nicht.« Da schlug er auf den Tisch und antwortete: »So, dieses Jahr machen wir das Strandfest!«

Zwei Monate blieben uns für die Planung. Unser erster Anlaufpunkt war Steffen Philipp. Wir fragten ihn, ob er uns als Getränkehändler bei diesem Quatsch unterstützen würde. »Jawoll«, sagte er, »mache ich gerne!«

Eine geeignete Fläche am See fanden wir schnell: Der Strand gegenüber der Löschwasserentnahmestelle kam als einziger in Frage, da nur dort eine Genehmigung existierte, um Festzelte aufzubauen. Bloß gab es da draußen weder Trinkwasser noch Strom.

Wolfgang Kaiser: Ein Notstromaggregat wurde aufgestellt, um den Festplatz zu beleuchten und eine Musikanlage zu betreiben. Die Anlage hätte das ganze Dorf mit Strom versorgen können, so leistungsfähig war sie.

Mario Wollscheid: Am Tag des Strandfestes schafften wir einen Traktoranhänger zum See, den wir als Bühne nutzten.
Wir bauten ein Zelt auf, richteten Verkaufsstände für Getränke und Bratwurst ein und blickten erstaunt den ersten Sedlitzern entgegen, die bereits eine Stunde vor Beginn auftauchten.

Steffen Philipp: Wir hatten mit vierzig oder fünfzig Gästen gerechnet. Aber zweihundert Leute wollten mit uns feiern! Das überraschte uns mächtig.

Mario Wollscheid: Beim zweiten Strandfest kamen über tausend Besucher. Wir schickten die Gäste auf eine Schnitzeljagd um den See. Sie sollten das Sedlitzer Maskottchen finden, das – so sagten wir – an einer geheimen Stelle versteckt war. Allerdings handelte es sich dabei um eine Finte. Spaß machte die Suche dennoch.

Neben der Schnitzeljagd fand auf dem See eine Modellbootschau statt. Gern hätten wir richtige Bootsfahrten angeboten, dafür erhielten wir jedoch keine Genehmigung von der LMBV, der Sanierungsgesellschaft, der das Gelände gehörte. Sie gab den See, der noch lange nicht vollständig geflutet war, nicht zur Nutzung frei.

Für die Modellbootschau bekamen wir Auflagen: Wir sollten ein Rettungsboot bereithalten, für den Fall, dass ein Boot kenterte und geborgen werden musste.

Keiner der Verantwortlichen rechnete damit, dass wir dies als Einladung verstanden, doch Bootsfahrten auf dem See durchzuführen. Die LMBV schrieb uns nämlich die Größe des Rettungsbootes nicht vor. So stellte uns ein Bekannter aus Senftenberg einen Katamaran mit Platz für zwölf Passagiere zur Verfügung. Damit schipperten wir den ganzen Tag die Besucher kostenlos über den See.

Wolfgang Kaiser: In Verbindung mit dem Strandfest fanden in den Jahren 2009 sowie 2010 Traktorentreffen statt. Diese zu organisieren war ein Riesenaufwand.

Es fand sich eine stattliche Anzahl von Teilnehmern ein, die ihre aufpolierten Trecker bei einem Korso durch Sedlitz und anschließend auf dem Festplatz präsentierten.

Mario Wollscheid: Im Jahr 2010 verwettete der Senftenberger Bürgermeister Andreas Fredrich ein Fass Bier darauf, dass wir Sedlitzer es nicht schaffen, mit zwanzig Traktoren dabei zu sein. Die Wette verlor er. Natürlich!

Steffen Philipp: Am Ende musste er allen Organisatoren und den Traktorfahrern einen ausgeben.
Das Beste am Strandfest war jedoch das Aufräumen mitten in der Nacht. Da ging es mit den Traktoren und dem gesamten Inventar zurück durch den Wald. Mit unserer Kolonne im Schritttempo sahen wir aus wie ein Wanderzirkus. Zum Schluss landeten wir bei Klaus in der Kneipe und tranken unser Finalbier.

Mario Wollscheid: Als wir ein Segelboot, dass wir zur Dekoration auf den Festplatz gestellt hatten, zurück ins Dorf schleppten, sorgten wir prompt für einen Stromausfall. Auf dem Hinweg hatten wir den Mast ordentlich eingeklappt, abends dachte keiner mehr daran.

Klaus Nasdal: Einer aus der Truppe fragte noch in die Runde: »Muss ich Mast legen?« »Nee, brauchste nicht! Die Brödemannbrücke ist doch weg. Da können wir so durchfahren.«

Steffen Philipp: Keiner dachte an die Freileitungen, die Stromkabel, die von einem Gehöft zum anderen liefen und über der Straße hingen. Der Mast blieb an der Leitung hängen. Sie riss und ein Teil des Dorfes war plötzlich ohne Strom. Zum Glück hatte dieses Erlebnis keine Konsequenzen für unser Strandfest und wir feierten im nächsten Jahr wie gehabt.

Von Jahr zu Jahr wurde es allerdings schwieriger, die geforderten Genehmigungen für die Nutzung des Sees und des Strandes einzuholen. Inzwischen nden keine Feste mehr statt.

Monika Blum: Wenn wir unser Oktoberfest feiern, mangelt es nicht an Gästen. Als Steffen mich 2011 fragte, ob ich mit den Kindergartenkindern etwas vorbereiten wolle, kam mir eine Idee: »Wir veranstalten eine Modenschau mit den Kleinen!«

Gemeinsam mit meinem Göttergatten kramte ich in unserer Bodenkammer und suchte die alten Klunker heraus. Darunter befanden sich mein Jugendweihekostüm, mein Abschlusskleid und als Highlight mein Brautkleid mit Schleier, Schuhen und allem, was dazugehörte. Außerdem entdeckte ich alte Lederhosen von meinem Mann und eine schöne Pelzkappe.

Im Kindergarten stellten wir alles zusammen und kamen dabei auf die Idee, ein Brautpaar zu präsentieren. Mit den Kindern probten wir im Sportraum, danach ging es auf die große Bühne. Für die Blumenkinder, die vorneweg gehen sollten, pflückte ich ein paar Blüten im Garten unserer Nachbarin Frau Hübner.

Die Modenschau wurde ein Erfolg. Viele Omas und Opas kamen extra wegen ihrer Enkel. Vor Rührung standen ihnen Tränen in den Augen.

Leider macht eine Modenschau nicht allen Kindern Spaß. Deshalb fand sie im letzten Jahr nicht statt.

Silvana During: Es stimmt. Wir können eine solche Veranstaltung nur mit Kindern machen, die daran Freude haben. Manche verkleiden sich nicht gern oder haben Hemmungen, auf einer Bühne vor so vielen Menschen zu laufen. Die ganze Familie ist da, alle machen Fotos.

Für die Kinder, die es mögen, ist die Modenschau allerdings eine Sensation.

Wolfgang Kaiser: Auch die Kinder aus dem Übergangswohnheim, die in den Kindergarten gingen, nahmen an der Modenschau teil. Ich erinnere mich, dass ihr einen kleinen Koreaner dabei hattet. Der sah mit den Lederhosen so drollig aus.

Silvana During: Er war der Hingucker! Er musste sich gar nicht anstrengen: nur über die Bühne laufen, sich vorn hinstellen – schon applaudierte das Publikum.

Steffen Philipp: Manchmal entwickeln sich kleine private Feiern zu einer großen Sause. So erlebten Heike und ich es bei unserem Polterabend am 20. März 1986 im Sportlerheim.

Parallel trainierten die Fußballmannschaften. Nach ihrem Feierabend setzten sie sich zu uns. Schnell ging unser Biervorrat zur Neige. Wie konnten wir den Abend retten?

Einer aus der Runde schlug vor, es bei Schmidts Elli im Gasthaus »Zur Hoffnung« zu versuchen. Ich machte mich mit meinem Freund Uwe Serdack auf den Weg.

Nun herrschten im Jahr 1986 andere Verhältnisse als heute. Fassbier war ein rares Gut. Die Kneiperin erteilte mir eine Abfuhr.

Die Kneipengäste hörten, dass wir Polterabend feierten und ließen nicht locker, bis ich eine Runde schmiss. Schließlich hatte Elli ein Einsehen: »Gut! Ein Fass verkauf ich euch. Aber wie wollt ihr das Ding zum Sportplatz hieven?«

Einer der Gäste, Hainschens Gerhard, lieh uns seinen Fahrradhänger. In den passte das Fass gerade so rein. Wir machten uns auf den Weg. Uwe und ich kämpften, um den Hänger vorwärts zu bewegen. Das schwere Fass und der Alkohol, den wir inzwischen intus hatten, machten es uns nicht leicht. Schließlich kamen wir völlig k.o. am Sportplatz an. Erst da bemerkten wir, dass die Reifen des Hängers keine Luft hatten…

Mit dem Gelächter auf unserer Seite feierten wir bis spät in die Nacht. Auch unsere Hochzeit blieb nicht ohne Zwischenfälle. Davon erzähle ich ein andermal.