Der Erzählsalon bleibt in der Lausitz

„Erinnerungen sind aus wundersamem Stoff gemacht – trügerisch und dennoch zwingend, mächtig und schattenhaft. Es ist kein Verlass auf die Erinnerungen, und dennoch gibt es keine Wirtklichkeit außer der, die wir im Gedächtnis tragen.“ – Klaus Mann

Salonnièren-Seminar_April2016_Lausitz
Foto: Detlef A. Hecht

Der zweite Teil des Lausitzer Salonnièren-Seminars beschäftigte sich mit den theoretischen Hintergründen des Erzählsalons, dem Erinnern und dem autobiografischen Erzählen – nachdem der erste Teil das praktische Handwerkszeug zum Aufbau und zur Durchführung eines Erzählsalons vermittelt hatte.
Die zwölf zukünftigen Salonnièren waren bunt zusammengewürfelt vom Studenten bis zum Pensionär und brachten unterschiedliches Vorwissen mit.Zwei Sozialarbeiter, mehrere Naturwissenschaftler, heutige Organisations- und Regionalentwickler, ein Ingenieur, Ortsvorsteher, Elektriker, Ergotherapeut, Lehrer, eine Kulturwissenschaftsstudentin – alle kamen mit großer Neugierde ins Seminar.

Das Seminar startete mit dem Erzählsalon „Meine ersten eigenen Erfahrungen im Erzählsalon.“ Die Teilnehmer erzählten, was sie in den Erzählsalons der fünf Projektstandorte – Sedlitz, Lauchhammer, Geierswalde, Marga, Plessa – erfahren und erlebt hatten. Marion Piek: „Ich war neugierig, wie der Erzählsalon die Entwicklung der Orte wirksam unterstützen könnte. Ich konnte mir am Beginn des Projekts nicht vorstellen, dass er eine Bewegung auslösen kann, denn es ist ja nicht leicht Geschichten vor Leuten zu erzählen, die man schon seit Jahren kennt und denen man am nächsten Tag auf der Straße wiederbegegnet. In Marga wurde zunächst nur zur Traditionspflege erzählt, im Januar platzte der Knoten, und es geschah eine Wende bei den Teilnehmern, das Geschick von Marga selbst in die Hand zu nehmen.“ Angelika Steffens: „Der Erzählsalon schafft ein Kreisgefühl, in dem die Teilnehmer sich als zusammengehörig empfinden.“

Um einen Erzählsalon kompetent und souverän leiten zu können, ist es wichtig zu verstehen, wie das Erinnern und unser autobiografisches Gedächtnis funktionieren. Besonderen Erkenntnisgewinn brachte den Teilnehmern dafür die Interpretation der Zitate berühmter Autoren.  Zum Beispiel Bertha von Suttner: „Man trägt doch eine eigenartige Kamera im Kopfe, in die sich manche Bilder so tief und deutlich einätzen, während andere keine Spur zurücklassen.“

Seminar_Lausitz_April2016
Foto: Detlef A. Hecht

Lassen wir die Wirkung des Seminars aus den Stimmen der Teilnehmer sprechen:
Peter Gallasch: „Ich habe den Erzählsalon zunächst skeptisch betrachtet. Ich dachte, dass ist nur Gequassel. Nachdem wir gestern das theoretische Rüstzeug für das autobiografische Erzählen bekommen haben, gibt dies dem Erzählsalon für mich eine neue Wertigkeit – der Erzählsalon ist keine Quasselbude.“ Und Frank Muschick: “Der Erzählsalon ist Sozialarbeit. Ich nehme für meine Arbeit sehr viel mit.“ Karin Denisow: „Ein Erzählsalon ist ein sozialer Kosmos mit ganz vielen Verästelungen.“
Peter Gallasch: „Ich bin verblüfft, was für ein weites Feld sich hinter dem Erzählsalon verbirgt. Das war ein sehr anregendes Seminar.“ Roland Sängerlaub: „Das Seminar war eine schöne Bereicherung, auch für meinen Berufsbereich als Sozialarbeiter.“ Christian Benusch: „Es war methodisch sehr vielseitig. Das Theoretische muss erst einmal verdaut werden. In das Seminarprogramm sollten auch mögliche Störungen des Erzählsalons aufgenommen werden.“ Angelika Steffens: „Die Methodenvielfalt war so lebendig. Wir waren aufgefordert unseren Kopf anzustrengen. Es war eine große Freude sich in solch einem illustren Kreis auszutauschen. Die Arbeit mit den Zitaten hat mich den Hintergründen des Erzählsalons nah gebracht. Der Erzählsalon kommt den Menschen entgegen. Er ist zutiefst menschlich. Er ist ein Werkzeug, damit sich Menschen zusammenfinden können, um gemeinsam zu handeln.“ Aspasia Krause: „Die Gruppe war spannend. Die Seminarunterlagen sind wunderbar. Ich werde auf jeden Fall den Erzählsalon in Hoyerswerda besuchen.“

Am Sonntag fuhren die Teilnehmer des Seminars erschöpft und zugleich beschwingt nach Hause, voll mit Ideen für Erzählsalons, die sie selbst durchführen.