Der Staffelstab wurde übergeben

Erzählsalon_Geierswalde_Lausitz
Foto: Sebastian Bertram

Von der Zukunft erzählen – darin sind die Geierswalder geübt. Im Gasthof „Zur Grubenlampe“ stand bereits zum zweiten Mal das Thema „Was ich mir für Geierswalde wünsche“ auf dem Programm. Die meisten der zehn Teilnehmer am langen Tisch waren schon bei mindestens einem der vorigen Erzählsalons dabei gewesen. Und trotzdem sprudelten die Geschichten aus ihnen nur so heraus. An der Vergangenheit führte kein Weg vorbei: Bei fast jeder Erzählung fiel der Blick zunächst zurück und wurde erst dann Richtung Zukunft geworfen.

Eine Erzählerin erinnerte sich an die 600-Jahrfeier von Geierswalde, die 2001 begangen wurde. Ein großes gemeinschaftliches Fest. In der Kirche wurde aus der Ortschronik gelesen, sorbische Trachten wurden als Hochzeitszug vorgeführt. Jeder im Dorf hatte eine Aufgabe bekommen. Das sei der Schlüssel, sagte sie. Über diese Geschichte entwickelte sich sowohl bei der Erzählerin als auch bei anderen Teilnehmern die Vision, solch ein Fest zu wiederholen und dann wie früher das ganze Dorf einzubeziehen.

Erzählsalon_Geierswalde
Foto: Sebastian Bertram

Zwei Erzähler machten sich Gedanken darüber, wie die junge Generation, zu der sie sich zählten, die Geburtenlücke kompensieren könne. Sie zeigten großes Bewusstsein für den Wandel, mit dem sie bereits aufgewachsen seien. „Wir von den geburtenarmen Jahrgängen sind schwer belastet“, sagte ein Anfang Vierzigjähriger. „Wir müssen alles können: Sollen viele Kinder haben, ehrenamtlich arbeiten, sollen Rente zahlen.“ Doch ging es ihm nicht darum zu klagen, sondern etwas zu bewegen. Er wünschte sich, „die Stadt aufs Dorf“ zu bringen. Man müsse das Leben in Geierswalde attraktiver machen: Zum Beispiel könnte es sonntags Brunch geben oder Bowling im Dorf. Das sei auch für die Touristen interessant. Außerdem müssten sich die Einheimischen früh genug Gedanken über Bildung und Beruf machen, um später in ihrem Dorf bleiben zu können. „Das müsste von langer Hand geplant werden, damit es gelingt.“

Ein Wunsch nach dem anderen machte die Runde. So wurde die Sehnsucht nach einer Verkaufsstelle geäußert: nach einem genossenschaftlichen Konsum-Markt. Bei lokalpolitischen Themen, wie der möglichen Ortsumgehungsstraße, wurden zwar unterschiedliche Meinungen vertreten. Dennoch waren die Erzähler weit davon entfernt, am Tisch eine laute Debatte loszutreten.

Erzählsalon_Geierswalde
Foto: Sebastian Bertram

Die jüngste Erzählerin in der Runde, Anfang 20 und Zugezogene, war das erste Mal Gast im Salon. Zunächst wollte sie nichts erzählen, dann ergriff sie doch das Wort. Sie sagte, die Dorfgemeinschaft gebe ihr „starken Halt“, anders als in der Stadt sei alles fußläufig zu erreichen. Sie habe die Broschüren, die aus dem Erzählsalon heraus entstanden, gelesen. Die Geschichten darin hätten ihr einen „Zugang zum Ort“ geschaffen.

Auch andere Teilnehmer äußerten sich zum Wert des Erzählsalons. Alle positionierten sich positiv und ergänzten einander, erzählten, welche Vorteile sie in dem Veranstaltungsformat sehen für die Zukunft ihres Ortes. Einer von ihnen lässt sich zum Salonnier ausbilden. Er möchte die Tradition fortführen und mit dem Geierswalder Erzählsalon neue Zielgruppen für eine dörfliche Belebung erschließen.

Der Erzählsalon sei genau das richtige Format, hieß es von dem Salonnier-Anwärter, da in ihm die Leichtigkeit des Austausches und der Auseinandersetzung erhalten blieben. Ein anderer Erzähler betonte, wie gut es sei, dass die Runden generationenübergreifend sind. Die Veranstaltungsform gebe die Botschaft: „Hier nehmen wir uns Zeit zum Reden, da in anderen Gremien nicht so viel Zeit zur Verfügung steht.“ Der Erzählsalon ermöglicht die Erfahrung, dass einem zugehört wird – also: „Meine Meinung ist wichtig.“

„Hiermit übergebe ich den Staffelstab an die Geierswalder“, sagte die Salonniére und Projektleiterin feierlich zum Abschluss dieses Erzählsalons. Ein erstes Ziel wurde auch schon gesetzt: Im Jahr 2026 wird Geierswalde 625 Jahre – die Teilnehmer möchten perspektivisch darauf hinarbeiten, noch einmal so ein riesiges Fest wie 2001 zu machen, so wie sie es in Erinnung haben. Ganz nach der Devise: Wer ferne Ziele steckt, lebt länger.

8 Gedanken zu „Der Staffelstab wurde übergeben

  1. Den Erzählsalon finde ich sehr angenehm – man erfährt viel Interessantes – auf verschiedenen Ebenen. Endlich konnte ich mal über die Mehrzweckhalle erzählen, die mir seit Jahren am Herzen liegt.

  2. Es war schön zu erzählen. Es sind ja deine Erlebnisse, die du nie vergisst.
    Man geht mit vielen Ideen nach Hause.

  3. Ich empfand es als angenehme Runde, die Zeit ist schnell vergangen.
    Im Erzählsalon finden sich die Geschichten von allein.
    Verschiedene Perspektiven erweitern den eigenen Horizont.

  4. Über die Zukunft denkt man viel zu oft zu wenig genau nach.
    Teilweise fiel es mir schwer, eine Geschichte zu finden… vermutlich weil ich an den vorherigen Salons leider nicht teilgenommen habe.

  5. Ich fand den Erzählsalon anregend, informativ, unterhaltsam. Zukunft kann nur gemeinsam gestaltet werden.

  6. Zukunftsthemen sind immer gut. Eine Vertrauensatmosphäre war vorhanden, so konnte jeder seine eigenen Ideen und Wünsche vorbringen.

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